Globaler Klimastreik 03.03
Redebeitrag 1
Samuel:
Eine düstere graue Steinlandschaft. So weit das Auge reicht ausgekratzter Boden und ein Loch, welches so riesig ist, dass mein komplettes Sichtfeld davon eingenommen wird. In der Mitte ein Bagger, neben welchem ausgewachsene Menschen aussehen wie Lego Figuren, der dieses Loch immer weiter ausschabt und gefährlich nahe vor uns munter weiter gräbt, als wäre alles in bester Ordnung. Diese apokalyptische Szenerie erwartete uns, als wir am 14.01. vor den grenzen Lützeraths standen, um das Dorf im Kampf gegen die Zerstörung zu verteidigen. Bilder, die sich für immer in meinem Kopf eingebrannt haben. Lützerath, ein kleines Dorf unter welchem 280 Millionen Tonnen Kohle seit tausenden Jahren friedlichen lagern, wird abgerissen. Abgerissen für Kohle, die nicht benötigt wird.
Voller Motivation hatten wir uns aufgemacht, wir wollten nicht nur zusehen, sondern etwas tun. Doch an der Abbruchkante angekommen, wurde mir das Ausmaß der Situation erst bewusst.
Mir schossen alle Bemühungen und Kompromisse in den Kopf, die man immer versucht umzusetzen um die Welt durch die eigene Existenz nicht allzu stark zu belasten. Weniger Autofahren, kälter duschen und eine pflanzliche Ernährung, um nur einige Beispiele zu nennen. Natürlich sind all diese Versuche mehr als sinnvoll und sollten von uns beachtet und je nach Möglichkeit umgesetzt werden. Doch als ich an der Abbruchkante stand, mit Blick auf diese graue Kohlewüste, fühlten sich die ganzen Bemühungen für umsonst an. Was kann ich als 17 jähriger Schüler denn verändern, wenn riesige Konzerne ohne Konsequenzen für so viel Schaden sorgen und nicht für ihre Taten verantwortlich gemacht werden?
Lützerath zeigt erneut wie die Politik in Sachen Klimaschutz versagt!
Leander:
Lützerath ist aber mehr als ein Symbol. Es ist in der aktuellen Situation völlig absurd, Deals mit Kohleunternehmen zu schließen, bei denen diese unterm Strich voraussichtlich mehr CO2 emittieren dürfen als bei den bisherigen Ausstiegsplänen. Der Expertenrat für Klimafragen, der die Klimapolitik der Bundesrepublik bewertet, kam letzten Herbst zu einem eindeutigen Urteil: Die bisherige Reduktion der Emissionen reicht bei weitem nicht aus, um die deutschen Klimaschutzziele bis 2030 einzuhalten. Die Grünen genehmigen aber die Verstromung von Unmengen an Kohle, die FDP plant munter neue Autobahnen, und Olaf Scholz eröffnet ein LNG Terminal. Ganz so, als ließe sich Klimaschutz aufschieben, auf Zeiten nach dem Krieg in der Ukraine, auf morgen, übermorgen oder vielleicht auch nächstes Jahr. Ist nicht genau das die Politik der letzten 20 Jahre, die uns nun auf die Füße fällt? Solch eine Ignoranz gegenüber der Realität der Klimakatastrophe und dem Schicksal von Milliarden von Betroffenen können wir nicht einfach so hinnehmen!
Hatte die Ampel nicht konsequenten Klimaschutz versprochen? Wir erreichen unsere Klimaziele nicht, indem sich Olaf Scholz zum „Klimakanzler“ erklärt und meine Oma nur noch einmal die Woche Fleisch isst. Unsere Zukunft hängt vom Handeln dieser Regierung ab, und ihre Bilanz enttäuscht unsere Erwartungen. Es gibt keine Verhandlungsbasis über dem 1,5°C Ziel. Paris ist bereits der Kompromiss. Und solange nicht endlich Schritte unternommen werden, durch die die Politik dieses Versprechen einhalten kann, werden wir auf die Straße gehen. Wir fordern, wie auch der Expertenrat, einen echten Paradigmenwechsel in der Klimapolitik.
Konsequenz statt Kooperation mit profitgierigen Kohlekonzernen, Sicherheit statt Schlingerkurs, Wandel statt „Weiter so“. Wir fordern endlich radikalen Klimaschutz!
Samuel:
Lützerath hat aber auch gezeigt, wie stark diese Bewegung ist, denn obwohl ich anfangs von den schrecklichen Ausmaßen Vorort verzweifelt war, spürte ich Hoffnung. Denn als ich mich umdrehte, weg von der Kohlegrube in die andere Richtung, sah ich tausende von Menschen. Menschen die sich aus ganz Deutschland auf den Weg nach Lützerath gemacht hatten, um ihrem Unmut Ausdruck zu verleihen. Menschen, die das Problem erkennen und mit denen man gemeinsam zeigen kann: Nein so geht das nicht! Es hat gezeigt, dass ein „weiter so“ von der Politik, nicht vereinbar mit den Vorstellungen der Bevölkerung ist, und wie Laut und Stark die Klimaschutzbewegung werden kann. Am 14.01. wurde ein unübersehbares Zeichen gesetzt. Wir wollen keine Zerstörung unserer Heimat, wir wollen nicht, dass Profite wertvoller sind als unser aller Wohlbefinden. Wir wollen, dass wir einer lebenswerten Zukunft entgegenschauen können, und um das zu erreichen, müssen Politiker und Parteien sich mehr für den Schutz des Gesamtwohls und Umwelt einsetzen. Dieses Gefühl vereint zu sein, alle für die gleiche Sache, hat mir viel Hoffnung geben und uns alle motiviert.
Leander:
Die Gesellschaft hat also längst verstanden, wie wichtig es ist, für die Zukunft einzustehen. Jetzt ist die Politik am Zug!
Und hier muss ganz klar gesagt werden: Es ist nicht zu spät, unsere Klimaziele zu erreichen! Noch haben wir die Dinge in der Hand, noch ist es möglich, einen fairen Beitrag zum globalen Klimaschutz zu leisten.
Dazu brauchen wir einen deutlich stärkeren Ausbau der erneuerbaren Energien, hier müssen Planungs- und Genehmigungsverfahren massiv verkürzt werden. Das wird aber nicht ausreichen, wenn wir nicht aktiv Emissionen zurückschrauben. Jede Tonne Kohle zählt, jede Tonne Kohle ist eine zu viel für unsere Zukunft.
Außerdem müssen wir die Emissionen im Verkehrsbereich rapide abbauen. Der ÖPNV muss ausgebaut, die Taktung erhöht und die Preise gesenkt werden. Es ist Zeit, dass Verkehrspolitik nicht mehr für Autos, sondern für Menschen gemacht wird. Wir fordern eine Verkehrswende: Mobilität muss klimaneutral, verlässlich und für alle verfügbar sein!
Um das Pariser Klimaschutzabkommen einhalten zu können, sind enorme Anstrengungen nötig. Aber wer soll diese bewältigen können, wenn das nicht einmal die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt schafft? Die globale Gemeinschaft blickt auf Deutschland und sieht, wie sich Polizisten schützend vor die Interessen der fossilen Lobby stellen. Deutschland hat eine Vorbildfunktion und muss international zeigen, dass konsequenter Klimaschutz möglich ist.
Und ja, Klimaschutz ist teuer. Klimaschutz ist umständlich, kompliziert und manchmal auch unbequem. Die nötigen Anstrengen sind aber nichts verglichen mit den Folgen einer globalen Erwärmung um 2 °C oder mehr. Schon jetzt zerstören heiße und trockene Sommer unsere Ernten, schon jetzt erleben wir Fluten und Waldbrände, schon jetzt steigen ökologische Schäden ins Unermessliche.
Samuel:
Wir weigern uns, dieses Szenario zu akzeptieren. Solange die Regierung den 1,5°grad Kurs nicht halten kann, werden wir auf die Straße gehen. Wir werden für unsere Zukunft kämpfen, für die unserer Kinder und Enkel.
Wir sind laut, wir sind viele, haltet euch an Klimaziele!
Verfasser: Leander Braun/Samuel Dres